KARPFEN, BOHNE, SPARGEL: SLOW FOOD FRÜHLINGSMARKT
Nichts ist spannender für mich, als mit zufällig vorhandenen Zutaten zu kochen. Vor allem Produkte, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, auf dem Teller zu verbinden ist mein Ding. Im Vorfeld des Slow Food Frühlingsmarktes ist mir ein Paket oberbayerischer (!!) Borlottibohnen in die Hände gefallen, der Fischhändler meines Vertrauens hatte Karpfen aus Wildfang im Angebot und um die phallischen Frühlingsboten namens Spargel kommt man aktuell ohnehin nicht herum.
Hülsenfrüchte, getrocknete vor allem, gehören zu meinen liebsten Zutaten. Anspruchslos in der Haltung, variabel im Einsatz, preiswert in der Anschaffung. Dazu sehen diese Dinger auch noch gut aus - also zumindest Borlotti Bohnen sind echt schön, mit dieser braunen Maserung. Die habe ich natürlich erstmal baden geschickt, 12 Stunden im kalten Wasser haben ihnen sichtlich gut getan. Ich mag sie ja schon so roh ganz gern, sollte man aber besser die Finger von lassen. Sind ja gesundheitlich nicht ganz ohne, die sogenannten Lektine sind nicht wirklich gesund, verschwinden aber durch das Erhitzen. Also koche ich meine Borlotti mit zwei angedrückten Knoblauchzehen und einem Zweig Rosmarin. Habe ich aber nur fürs Foto mit reingelegt - ich koche die Bohnen immer erstmal auf und schäume sie dann ab, danach erst die Gewürze rein. Und die Schicksalsfrage, ob das Salz vorher oder nachher ran kommt ist mir ehrlich gesagt egal. In Kochbüchern finden sich fast so viele Befürworter des 'sofortsalzens' wie des 'danachsalzens'. Hängt aus meiner Erfahrung vom Alter der Bohnen ab. Relativ frische Bohnen wie meine hier, vertragen das Salz jedenfalls auch schon beim Kochen. Sind ja auch nur 45 - 60 Minuten im Wasser.
Den Spargel habe ich mal geschält und in halbzentimeter dicke Streifen geschnitten. Dafür gibt es ausser optischen Erwägungen keinen vernünftigen Grund. Salz, Zucker, Butter ins Kochwasser und eher simmern lassen. Will ja keinen Matsch nachher auf dem Teller, so ein wenig Biss sollen die Stangen schon haben. Zeit sich dem Karpfen zu widmen.
Die Farbe des Fisches irritiert auf den ersten Blick: Der ist fast so rot wie ein frischer Thunfisch, fest und fleischig. Das macht wohl der Stress, denn der Wildkarpfen ist kein Müllschlucker wie die Biester im Nymphenburger Kanal. Die Kollegen aus dem Bodensee - daher kamen meine Stücke - müssen richtig arbeiten, schwimmen und Futter suchen, dabei immer auf der Hut vor Hecht und Co., die so einem Jungspund von Karpfen das Leben unter Wasser ziemlich schwer machen können. Natürlich hatten auch meine zwei Filets die berüchtigten Y-Gräten. Aber die sind so groß und sperrig, dass man sie entweder vorher relativ gut entfernen kann, oder im gegarten Zustand auch mit der unempfindlichsten Zunge sofort findet. Den Fisch habe ich dann nur mit Pfeffer und Salz gewürzt und in brauner Butter von beiden Seiten 2 Minuten gebraten.
Und dann sind die Bohnen auch schon fertig. Ein frisches, 'grünes' Olivenöl, Salz, Pfeffer und frischen Schnittlauch, einen Spritzer Essig - mehr brauchen die kleinen braunen Freunde nicht um auf geschmackliche Touren zu kommen. Und was mich an den Dingern besonders begeistert: Sollte was übrig bleiben, sind sie auf einem gerösteten Sauerteigbrot der ultimative Mittagssnack! Hier ersetzen sie die Kartoffeln und bilden mit dem Spargel eine herrliche Symbiose.
Angerichtet hat sich das Ganze quasi von allein. Die Bohnen nach unten, den Karpfen darauf, den Spargel mit ran gelegt. Und da es auf dem Markt auch noch herrlich frischen Pflücksalat gab, musste der auch noch mit auf den Teller. Die Krönung waren dann ein paar Banyuls-Zwiebeln. Die hatte ich schon am Vortag gemacht - Zwiebeln kleinschneiden, anschwitzen, Prise Zucker, karamellisieren lassen und mit weissem Banyuls (ein südfranzösischer Süsswein) aufgegossen, einkochen lassen, abgeschmeckt mit Salz und Piment d'Espelette - und die sind einfach mit auf den Karpfen gewandert. Weil es so schön gepasst hat. Der Fisch hatte wirklich ein wenig was von Thunfisch, er schmeckt ganz anders als Zuchtkarpfen, überhaupt nicht fett oder modrig, ist relativ fest im Fleisch und eher nussig im Geschmack, erinnert fast schon an Kalbfleisch. War alles in allem ein Super Gericht - das zu allem Überfluss auch noch richtig regional war. Naja, bis auf den Banyuls - aber wer ist schon dogmatisch wenn es um den Genuss geht ...