ENTSTAUBTER KLASSIKER: OMAS GULASCH KANN AUCH LEICHT
Meine Oma hat ihr Gulasch ziemlich eigenwillig gemacht. Das mag an ihrer Schleswiger Herkunft liegen, was bekanntermassen ziemlich weit von den traditionellen Gulaschtöpfen Wiens oder Ungarns liegt. Oder auch an der Nachkriegszeit, in der Sattwerden wichtiger als Geschmack war. Auf jeden Fall zeichnete sich ihr Gulasch durch 3 Dinge aus:
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- Das Fleisch war vom Rind - nähere Angaben aus welchem Teil des Tieres wurden aber nicht gemacht...
- ... das Fleisch wurde angebraten bis es die Farbe von Brikett hatte und die Sicht in der Küche einer freitäglichen Waschküche glich...
- ... und am Ende wurden grüne Bohnen aus dem Glas in das fertige Gulasch gemischt...
- Das es Kartoffeln (Salz) und Nudeln (Spiralen) gleichermaßen dazu gab, liesse sich auch noch anfügen. Soweit als meine familiären Voraussetzungen.
Zum Wettbewerb gehts hier lang: |
Höchste Zeit also, dieses Rezept zu entstauben. Wobei entrümpeln es wohl noch eher trifft. Aber da wollen wir mal nicht so sein, schließlich gilt es mit einem trefflichen Rezept den Wettbewerb (siehe links) von German Abendbrot zu gewinnen. Also habe ich mir erst mal ein ordentliches Fleisch besorgt. Zum Glück habe ich mittlerweile ein verlässliches Netzwerk von Direktvermarktern. Eine komplette, entbeinte Wade vom Galloway Ochsen war also schnell beschafft. Ja - Staub runter, Oma - es muss Wade sein. Die ist gut durchwachsen und muskulös. Die Flachsen und Häute zwischen den einzelnen Muskelsträngen lösen sich durch das stundenlange Schmoren auf und geben der Sauce Struktur und Geschmack. Also auch keine Angst beim Zerteilen, das ganze weisse, feste Zeug wird später nicht zu sehen oder fühlen sein. 1,5 Kilo hat die Wade an Gesamtgewicht - viel weniger würde ich auch nicht verarbeiten. Denn wenn ein Gulasch erstmal gemacht ist, wird es mit jedem Aufwärmen nur besser. Und so ein Topf auf dem Herd ist anerkanntermaßen der beste Snack nach einer langen Nacht außer Haus ... oder wenn der Herr Sohn, seines Zeichen Studiosus, überraschend und heuschreckengleich über die väterlichen Vorräte herfällt. Da verschafft ein Gulasch beruhigende Gelassenheit beim Nachwuchs.
Aber bevor wir uns dem Fleisch zuwenden, müssen die Zwiebeln dran glauben. Kleine Würfel sollen her, trotz des zu erwartenden Geheules. Zusammen mit einem Löffel Schweineschmalz in den Bratentopf. Nein - kein Olivenöl. Und auch keine Rama oder Biskin. Schweineschmalz. Die Zwiebelwürfelchen darin glasig andünsten. Nicht braten, das macht das Gulasch unnötig bitter. Sobald die Zwiebeln glasig werden, gebe ich den fein gewürfelten Knoblauch und das Paprikapulver dazu. 2 Esslöffel Paprika. Einen edelsüssen und einen - Oma halt dich fest - geräucherten. Gibt es in Spanien, als scharfe und als milde Variante. Aber in beiden Fällen mit herzhaftem Raucharoma. Das Paprikapulver nur ganz kurz mit rösten, auch hier: Damit es nicht bitter wird. Das Tomatenmark mit dem Essig glatt rühren, auch in den Topf. Spätestens jetzt erkennt Oma ihr Gulasch nicht wieder. Kein gebratenes Fleisch und trotzdem duftet es in der Küche hocharomatisch. Die gemörserten Gewürze (Fenchel, Thymian, Nelke) kommen in den Topf. Den Fenchel habe ich statt des von den Wienern favorisierten Kümmels genommen. Aber mir gefällt die leicht süss-würzige Fenchelnote deutlich besser als das knarzige Kümmelaroma. Oma hat weder das Eine, noch das Andere verwendet. Nachdem alle Aromaten im Topf sind und sich zu vereinigen beginnen, beende ich das fröhliche Anschwitzen mit der Zugabe der Fleischbrühe und lasse es leise vor sich hin kochen.
Die Wade habe ich in der Zwischenzeit in Würfel von ca. 4 - 5 cm Seitenlänge zerteilt. Lieber sogar noch etwas größer, ich mag es, wenn wirkliche Brocken in der Sauce schwimmen. Und diese Brocken werden jetzt in die leicht köchelnde Sauce gelegt. Kein Anbraten. Der Sinn aus meiner Sicht: ich möchte vor allem das intensive Fleischaroma bewahren. Und ähnlich wie bei gekochtem Rindfleisch (Tafelspitz) suche ich keine Röstaromen. Die will ich im Steak oder beim Schmorbraten. Ein wenig Salz und Pfeffer aus der Mühle vollenden das Werk bis hierher. Deckel drauf und 1 Stunde bei geringer Hitze köcheln lassen. Eine Flasche Rotwein öffnen und vorsichtig in den Koch giessen. Nach einer Stunde rühre ich um und versuche einen ersten Geschmackstest. Vielleicht etwas mehr Salz? Ein Hauch Säure? Ich korrigiere leicht und lasse fortan den Deckel weg. Jetzt soll Flüssigkeit erweichen. Nicht schnell, ich arbeite immer noch mit minimaler Hitze und wende mich für die nächste Stunde dem Rotwein zu. Und beschäftige mich mit der Frage, was ich zum Gulasch serviere. Salzkartoffeln sind zwar schön und gut, aber auch ein wenig langweilig. (Ich erinnere mich an ein Essen in den späten 70-gern in Frankreich, als ich meine Entenbrust mit den auf der Speisekarte als "Pommes anglaises" umschriebenen Beilagen krönen wollte und blass wurde, als zwei profane Salzkartoffeln neben meinen rosa Entenbrustscheibchen lagen)
Also nehme ich zu den Kartoffeln noch Pastinaken und Sellerie. Im Verhältnis 2 Teile Pastinake, 1 Teil Kartoffel und 1 Teil Sellerie, wird geputzt und gewürfelt und mit Milch-Wasser (50:50) aufgesetzt. Nicht soviel Flüssigkeit, mein Ziel ist es bis zum Garpunkt der Gemüsewürfelchen, keine Flüssigkeit mehr im Topf zu haben. Sondern mit Butter (viel) und etwas Sahne (ein Schuss) sowie Salz, weissem Pfeffer und Muskat, sowie dem Einsatz eines Stampfers, ein nicht ganz glattes Püree zu erhalten. Damit ist die Frage nach der Sättigungsbeilage - die hier eher eine Saucenaufnahmebeilage ist - geklärt. Aber Omas Bohnen sind noch nicht aufgetaucht. Da mache ich es mir zugegebener Maßen ziemlich einfach. Blanchierte Bohnen - und damit es auf dem Teller etwas farbenfroher zugehen wird - ein paar Blumenkohlröschen sowie die letzten Cherrytomaten von der Fensterbankkultur werden in wenig Butter erwärmt und abgeschmeckt mit Salz, Pfeffer, Zitrone. Damit es auch ein wenig Frische auf dem Teller gibt. Jetzt stellt sich die Frage nach dem Gulasch. Ist das Fleisch schon mürbe? Die Flüssigkeit verkocht? Puristen würden diese Frage beantworten lassen. Schlicht indem sie das Gulasch über Nacht abkühlen lassen, den 'Stand' der Sauce kontrollieren würden und überhaupt darauf verweisen, das ein Gulasch aufgewärmt viel besser schmeckt.
Mag ja alles sein. Soviel Geduld habe ich aber nicht.
Bei Oma wäre das Gulasch ohnehin schon seit 2 Stunden gegessen, viel mehr als eine Stunde hat es bei ihr nie gebraucht. Was dann auch zu festen kleinen, schwarzbraunen Gummiklumpen auf meiner Gabel geführt hat. Denn das Fleisch in Omas Gulasch war bestimmt vieles - aber mürbe war es nicht!
Im Gegensatz dazu fällt mein Fleisch fast auseinander, die Würfel sind mürbe und lassen sich mit der Gabel in einzelne Faserstränge zerdrücken. Das sieht auf dem Teller - oder besser auf dem Foto - ein wenig zerkocht aus. Ist es aber nicht wirklich. In Verbindung mit dem Püree ist das eine wohlig warme Geschmacksexplosion im Mund. Aber allem schmeckt es nach Rindfleisch, kernig-herzhaft, nach Nuss und ein wenig nach Schokolade, dazu süss durch die Zwiebeln und den Fenchel, pikant durch den Paprika. Das glasierte Gemüse sorgt immer wieder für Frische und eine feste Textur im Mund. Trotz des hohen Fleischanteils wirkt das Ganze leicht und nicht sättigend. Was mich zu der Überlegung bringt: Vielleicht schlummert da noch weiteres kulinarisches Potential in Omas 15 Gerichten. Birnen, Bohnen und Speck, Großer Hans, Burgunderbraten, Mehlbüddel mit Sirup ... mal sehen, was sich noch entstauben lässt. Für den Anfang und zum Nachkochen die Zutaten für Oma Anis Gulasch reloaded.
Viel Spass damit!