Tian to go: Sterne für Zuhause

Bekanntermaßen hält sich nichts so hartnäckig wie das eigene Vorurteil. In meinem Fall ist es die unverrückbare Überzeugung, daß sich erstklassige Profiküche nicht Eins-zu-Eins ins Private übertragen lässt. Was die richtigen Könner in eigens konfigurierten Küchen auf die Teller zaubern, was von geschultem Personal stilvoll zu Tisch gebracht wird und mit von professionellen Zungen ausgewählten Weinen begleitet wird, kann ich in meiner Einbauküche mit begrenzter kulinarischer Bildung einfach nicht kopieren. Völlig klar. Aber die aktuelle Situation in der Gastronomie sorgt für eine deutliche Verringerung des Abstands



Festmachen lässt sich das an den Angeboten der besternten und behaubten Restaurants in der Stadt. Viele von ihnen bieten eigens komponierte Menüs zum Abholen an, auch Lieferung ist möglich. Die Kollegen der SZ haben eine gute Übersicht dazu im Angebot.
Das Restaurant Tian hatte mich eingeladen, das Angebot «Tian Zuhause» auszuprobieren. Ein vegetarisches Dreigang-Menü wurde mir frei Haus geliefert, wie ich im Nachgang herausfand, kostet das komplett 99 € (2 Pers.) für Selbstabholer - wie sich zeigte, ein schwer zu schlagendes Angebot.

Für den ersten Pluspunkt in meiner persönlichen Werteskala sorgte die Verpackung. Papier und Glas - mehr braucht es nicht um die einzelnen Elemente des Menüs ansprechend und wertig zu verpacken. Kein Kleckern, kein Geschmiere. Sehr gut! Das Papier konnte einfach entsorgt werden, die Gläser sind hochwertig und werden einen weiteren Einsatz beim jährlichen Marmeladeneinkochen haben. Das ist aus meiner Erfahrung ein häufiges Manko der Essen zum Mitnehmen: Die Müllmengen sind enorm und nur selten erfüllen die Verpackungen die eigentlich selbstverständlichen ökologischen Ansprüche des modernen Menschen.

Brot und Butter von bester Qualität

Zum Essen selber: Das Brot von Julius Brantner ist in der Stadt bekannt und tadellos, nett so ein kleiner Laib für Zwei, Sauerteigweckerl genannt. Vor allem mit geschlagener Rohmilchbutter wurde eine vorgezogene Vorspeise daraus. Die eigentliche Vorspeise war eine kleine Offenbarung. Die Komposition aus Spargel und Schwarzwurzel mit knusprigen Brennnesseltapioka Chips war überaus gelungen. Saftig, frisch und aromatisch zugleich, in wesentlichen Teilen hat das Rezept Eingang in den privaten Küchenkanon gefunden. Das Anrichten mit der detaillierten Anleitung und den präzise beschrifteten Gläsern und Päckchen war ein Kinderspiel, Zeitaufwand höchstens 2 Minuten. 

Gekonnte Kombination: Spargel | Schwarzwurzel | Bärlauchcreme

Etwas länger dauerte die Zubereitung des Hauptgangs. Die Tortelloni waren mit Pilzduxelles gefüllt, dazu Mairübe und Senf. Nicht das, was ich in meinen Gedanken miteinander verbunden hätte. Das aber - nicht zuletzt dank der ebenfalls dazugehörenden Röstschalottencreme - auf dem Teller und dem Mund eine wahrlich harmonische Gesamtkomposition ergab. Um etwaige Fragen vorab zu beantworten: Ja, auch die Menge war überaus präzise berechnet. Vor allem, weil noch das Dessert wartete. 

Ausgesprochen delikat: Pilztortelloni | Mairübchen | Senf

Die Schokomousse mit Rhabarber war vielleicht keine große Überraschung - aber präzise und gekonnt zubereitet. Und dank der ebenfalls in einem kleinen Papiertütchen wartenden Salzkaramell Pralinen wurde das Dessert bis in den abschließenden Kaffee gezogen. In Summe waren das drei genussvolle Stunden an unserem Tisch. Die nicht zu vergleichen sind mit einem Besuch im Restaurant selber. Aber die Wartezeit bis dahin lässt sich mit Menüs wie diesem erstaunlich angenehm überbrücken.

Ein Glas für jeden: Schokomousse | Rhabarber | Granola


[Anmerkung: Das Restaurant "Tian" hat mich zum Ausprobieren ihres Menüs eingeladen]

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