LEGENDE IM GLAS: CHÂTEAU CHEVAL BLANC
Wenn es um legendäre Weingüter geht, hat man selbst als erfahrener Verkoster bestimmte Bilder im Kopf. Oder sind es Klischees? Man sieht ehrwürdige Gemäuer, tiefe dunkle Keller, irrwitzige Preise und eine Unnahbarkeit, die sich auf Weine wie Weinmacher gleichermaßen erstreckt. Soweit das Vorurteil. Und dann kommt ein sympathischer junger Mann daher und erklärt einem in völlig unprätentiöser Weise, welche Geheimnisse hinter dem legendären Wein stecken, den er derzeit zu verantworten hat.
Pierre-Olivier Clouet, Technischer Direktor auf Château Cheval Blanc, hatte einige interessante Fakten rund um das legendäre Château dabei. Natürlich sind das keine wirklichen Geheimnisse mehr und irgendwo in der Fachliteratur oder im weltweiten Netz allgegenwärtig. Aber wenn der smarte - gebürtige Normanne! - Fakten, Anekdoten und Bonmots zum Besten gibt, hat das eine ganz andere Qualität. Denn: „Wir sind kein Museum, wir sind ein Weingut.“ Wobei das eine charmante Untertreibung ist, "ein Weingut", das klingt wie eins unter vielen. Dabei dürfte Château Cheval Blanc sicher zu den paar Handvoll Weingütern weltweit zählen, die jedem Weinfreund wenn nicht ein Lächeln, so doch allemal ein anerkennendes Lächeln aufs Gesicht zaubern. Es gibt ein paar Weingüter, die sich im Lauf der Jahrhunderte einen geradezu legendären Ruf erworben haben. Etwa Romanée-Conti, Petrus, Latour, Haut-Brion, Vega Sicilia und natürlich Cheval Blanc. Und wie die Weine aller genannten Güter, ist auch er ziemlich rar und kostspielig. Wobei es nach Ansicht von Pierre-Olivier Clouet nicht darum geht, ob man besser ist als die direkten Nachbarn in St. Emilion, Ausone, Angelus oder Pavie. Es geht vor allem darum, Authentizität zu produzieren. Ein Cheval Blanc soll schmecken wie ein Cheval Blanc, in jedem Jahrgang. Zu jeder Zeit. Keine einfache Aufgabe, aber wahrscheinlich das Kennzeichen wirklich großer Weine.
«The trend in wine is the biggest enemy a wine can have.» Pierre-Olivier Clouet, Technischer Direktor Château Cheval Blanc |
Dafür wird auf Château Cheval Blanc ein in Teilen irrwitziger Aufwand getrieben. Basis sind 53 Parzellen, die mit unterschiedlichen Bodenzusammensetzung und Ausrichtung jeweils ganz bestimmte Vorzüge haben. Darauf verteilt sind sechs Rebsorten, die auf unterschiedlichen Böden stehen. Was wie Willkür klingt, ist ein brillanter Gedanke. Nicht jede Rebsorte wächst auf jedem Boden in jedem Jahr gleich gut. In einem Jahr gerät der Cabernet Franc besser auf Ton, im nächsten Jahr auf Kiesel. Gleiches gilt für Merlot oder Cabernet Sauvignon. Aber so hat der Kellermeister beim finalen Cuvetieren immer die Auswahl zwischen unterschiedlichen Grundweinen. Wie ein Dirigent ein Orchester, bringt er am Ende das Ganze zum Klingen. Wichtig ist die Marke, ist Cheval Blanc. Und die Marke entsteht immer im Kopf des Weinmachers, Wofür er 6 Rebsorten aus 53 Parzellen, plus 67 Gärbottiche im Keller und unzählige Fässer in 14 Größen zum Zusammenspielen bringen muss. Übrigens hat jede der 53 Parzelle in den letzten fünf Jahren mindestens einmal Eingang in den großen Wein gefunden, in 2015 sogar alle. Da wurde noch nicht einmal der Zweitwein, «Le Petit Cheval» produziert.
Das Geheimnis von Cheval Blanc | 53 Parzellen, 10 Bodentypen und 6 Rebsorten |
Noch einmal zurück zu den Besonderheiten dieses Weinguts. Um den Rebbestand im bestmöglichen Zustand zu halten, werden keine Rebstöcke auf dem freien Markt gekauft, der gesamte Bedarf wird mit «Selection massale» gedeckt, also aus eigener Reproduktion. Auch bei der Rebstockverdelung werden eigene Wege gegangen. In den Weingärten stehen Rebstöcke aus den 20/30/40/50 Jahren, die Jahrzehnte 60/70/80 sind raus. Denn da wurden in der Rebveredelung aus heutiger Sicht Fehler gemacht, große Reiser auf kleine Unterlagen gepflanzt, oder umgekehrt. Mit der Folge, dass der Saftfluss im Rebstock nicht ideal war. Ach ja und etwas zum Geschmack: Ein guter Teil des würzig-herben Aromas in fast allen Jahrgängen, ist wohl zurückzuführen auf die 100% neuen Barriques, die in jedem Jahr verwendet werden. Das ist zu riechen und zu schmecken, vor allem in den jungen Weinen. Wobei sich das 'jung' sicher auf einen Zeitraum von 20 und mehr Jahren erstreckt. Château Cheval Blanc kauft man eben nie nur für sich.
Neben den ganzen Informationen gab es natürlich auch noch etwas zu trinken. Einige Notizen zu den Weinen im Glas:
Le Petit Cheval 2012: Wild in der Nase, Wildfleisch, Kräuter. Viel Gewürz, fast schmerzhaft. Dabei ziemlich schlank, delikat, typische Cheval Blanc-Minze, ist eher sehnig als muskulös.
Cheval Blanc 2015: Wie gesagt wurde in diesem Jahr kein Le Petit Cheval gemacht. Alles was geerntet wurde, ist in den großen Wein gegangen. Es wird ziemlich schnell klar warum. Ein Wein, der das Zeug zur Legende hat. In der Nase eindeutig als Cheval Blanc zu erkennen, immer taucht die frische Minze auf. Dazu Süßholz, Veilchen, Würze. Das wird mit dem typisch hohen Anteil von Cabernet Franc im Cheval Blanc erklärt, exakt 52% waren es in 2015. Trotz der dichten Würzigkeit in Nase und Mund hat der Wein eine wunderbare „smoothness“, die extrem feinen und glatten Tannine sind engmaschig und herrlich - delikat! Es dominieren Blüten vor Früchten im Mund, der Wein ist überraschend weich, überaus elegant, faszinierend balanciert. Ein Cheval Blanc als Solitär, ein Essen dazu würde nur stören. Wenig erstaunlich, dass dieser Jahrgang gemeinhin als bester der letzten Jahrzehnte gilt.
Cheval Blanc 2011: Schon beim zweiten Wein zeigt sich, was Pierre-Olivier Clouet mit Authentizität meint. Der Wein zeigte eine ganz ähnliche Nase wie der 2015, Minze, Veilchen, Lakritz. Auch im Mund ist der Unterschied nur marginal - wenn da nicht das Tannin wäre. Es ist eine Spur trockener, spröder, umspielt die Zunge nicht ganz so fein. Dadurch wirkt der Wein weniger entwickelt, deutet an, dass er noch Zeit in der Flasche braucht. Ein Cheval Blanc, der förmlich nach kräftiger Speisebegleitung ruft.
Tageswerk | Château Cheval Blanc Tasting |
Cheval Blanc 2009: Nase wieder wie gehabt, typisch Cheval Blanc. Aber: Die Blüten sind nicht mehr in vollem Duft, einige verblühte sind dabei, ein zart morbider Charme geht davon aus. Auch im Mund ist der Wein komplexer, kräuteriger. Nicht so unbekümmert anschmiegsam wie der 2015, nicht so verschlossen wie der 2009. Die Süße des Jahrgangs ist im Hintergrund schmeckbar, aber nicht dominant. Sehr jugendliches Tannin, präsent und mit Potential. Eine feingliedriger Interpretation des Weins, liegt für mich zwischen 11 und 15.
Cheval Blanc 2006: Duftet in der Nase bereits entwickelt, hat eine feine, 'erwachsene' Reife, ist aber irgendwie immer noch ein wenig grün. Das Tannin ist der Pulsgeber in diesem Wein, es fordert, es drückt, ist immer da. Die Aromatik wie gehabt, die Veilchen, das Lakritz, alles wo es sein soll. Aber immer wieder stolpert die Zunge über das deutlich trockene Tannin, etwas rauh. Mutmaßung: Der Wein macht gerade ein kleine Verschlussphase durch.
Anm.: Zu der Veranstaltung wurde ich wie andere Kollegen auch von der Firma
Alpina Burkard Bovensiepen GmbH eingeladen.