JETZT. HIER. DER WELTBESTE ROSÉ!


Rituale schaffen Sicherheit, geben Orientierung in schwierigen Zeiten, helfen dem Leben Struktur und Planbarkeit zu geben. Das gilt für feste, wie bewegliche Feiertage, für Bundestagswahhlen und Geburtstage, für Fussballweltmeisterschaften - und Rosé im Frühjahr. Denn merke: Sobald die Sonne die Aussentemperaturen knapp über die 10°C Marke treibt und die Tage gefühlte drei Stunden länger sind, wird der ehemals kleine Bastard „Rosé“ durch die öffentliche Kommunikation getrieben. 

Das wäre per se ja nicht weiter verwerflich oder wert darüber zu schreiben. Ist halt ein Ritual. Aber ich habe den Eindruck, es gibt keinen anderen Weintyp, der so oft mit dem Begriff „Der Beste …“  in Verbindung gebracht wird, wie Rosé. Vor allem in der Social Media Welt wird geradezu reflexartig mit diesem Begriffspaar gearbeitet, gefühlt im Viertelstundentakt wird nach dem „Besten Rosé“ gefragt, oder „Der weltbeste Rosé …“ ausgerufen. Was natürlich völliger|absoluter|totaler Unfug ist. Oder kommt irgendjemand auf die Idee, den „Besten Rotwein“ zu küren? (Obwohl - irgendwelche Trottel da draußen auch das wahrscheinlich versuchen werden …) Das Thema Rosé ist wesentlich komplexer, als dass eine simple Kategorisierung nach „Bester“ oder alternativ „Schlechtester“ irgendeinem Weintrinker helfen könnte. Es gibt, wie in jeder Weinfarbe, Weine die sich als Aperitif eignen, elegante Speisegebleiter, erfrischende Zechweine, komplexe wie simple Weine gleichermaßen. Und es gibt sogar gereifte Roséweine, vor allem wenn die Hauptrebsorte Mourvedere ist, Terrebrune oder Pibarnon zeigen wie es geht. Wie soll bei diesem Variantenreichtum ernsthaft ein Superlativ bei der Orientierung helfen? Trotzdem wird regelmäßig mit den abenteuerlichsten Attributen um sich geworfen, weil eine wirkliche Auseinandersetzung mit Rosé noch nicht stattgefunden hat. 

Vielfalt oder Weltbester: Roséangebot im Fachhandel

Rosé verkauft sich gut und ist ein gern gesehener Tischgeselle. Aber ein verlässliches Bewertungssystem, ein klar definiertes Geschmacksbild - wie es für praktisch alle Rot-, und Weissweine existiert - das kann Rosé noch nicht bieten. Rosé aus Cinsault/Syrah/Grenache siehtt völlig anders aus und schmeckt auch komplett anders, als einer aus Pinot Noir. Oder Lemberger. ist ja völlig klar. Und kein Mensch würde auf den Gedanken kommen, Rotwein aus Lemberger (Deutschland) mit einem Pinot Noir von der Loire und einem von Grenache dominierten Côtes du Rhône zu vergleichen. Aber bei Rosé wird derlei gern gemacht, der wird über Rebsorten und Ländergrenzen hinweg gewertet und geschrieben und konstatiert: Der weltbeste Rosé. Für mich heißt das nur: So ernst ist es den Fachleuten mit dem Rosé dann wohl doch nicht.

Wenn ich ein Weinmarketing Mensch wäre, würd eich formulieren: Rosé ist als dritte Weinfarbe auch im Markt angekommen. Was auch die Zahlen der verkauften Rosé-Weinflaschen belegen, etwa jede zehnte Flasche Wein die in Deutschland über den Tresen geht, ist ein Rosé. Auch deshalb sind die lachsfarbenen Weine aus keinem ernsthaften Sortiment mehr wegzudenken, ganz gleich ob VDP Weingut oder Württemberger Genossenschaft, Rosé gehört ins Programm. Aber wo bei anderen Weinfarben, zumindest in Deutschland, mittels Rebsorte, Lage oder Prädikat dem Konsumenten eine Orientierung geboten wird, sind es beim Rosé häufig blumige Fantasienamen, die eine Form von Anhaltspunkt für den Geschmack geben sollen. Was verständlicherweise in den seltensten Fällen funktioniert. 

Das Rolemodel für Rosé: Pétale de Rose

Und so mäandert der Rosé weiter vor sich hin. Verkauft sich prächtig, wird ohne große Qualitätseinstufung aufgrund von Farbe oder Etikett gekauft und jederzeit als „Bester … „ tituliert. Oder man sorgt wie im Falle des ‚Miraval‘ mit ein paar höchstprominenten Weingutsbesitzern für mediale Aufmerksamkeit und entsprechende Absätze. Und dabei ist doch der Pétale de Rose vom Chateau La Tour de l’Éveque der beste Rosé der Welt. Am 4.6.2004 im SZ Magazin, wurde genau der Jahrgang 2003 gelobt und gepriesen. Zitat Paula Bosch „ … - für mich nicht nur der beste Rosé, den die äußerst charmante Madame je gemacht hat, sondern die Nummer Eins unter den Rosés der Provençe. …“ Und da die Weltbesten Rosé aus der Provençe kommen, muss der Pétale der weltbeste Rosé überhaupt sein. Oder ? 

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