WEINVIERTEL: AUSWÄRTSSPIEL IM ESSENCE
Black Tiger Garnele | Pistaziensponge | Spargel grün-weiß
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Der Münchner an sich - und nach 34 Lebensjahren in dieser Stadt fühle ich mich als solcher - hegt sowohl einen Hang zum Granteln, als auch zur Immobilität. Den er vor allem auslebt, wenn es um den Besuch anderer Stadtteile geht. So wird jeder echte Neuhauser seinen Ausweis einstecken, wenn es auf Haidhausen geht, ein Restaurantbesuch in Pasing scheint ohne Reisepass und Schutzimpfung kaum durchführbar. Es muss also schon einen überaus triftigen Grund geben, warum ich mich an einem Sonntagabend ins ach so ferne Pasing aufmache.
Die genannten Widrigkeiten komplett ignorierend habe ich mich also auf den Weg ins Essence gemacht, vom Rotkreuzplatz, meinem Wohnort, war ich in 16 Minuten vor Ort. Sicherheitshalber habe ich das Auto als Transportmittel gewählt, man weiss ja nicht wie man von da draußen wider heimkommt. Überraschenderweise gab es sogar Parkplätze vor dem Haus, das ist der gemeine Innenstädter so gar nicht gewohnt. Aber auch die Anreise per S-Bahn wäre denkbar gewesen. Vom Bahnhof Pasing sind es genau 150 Schritte bis zum Restaurant, so steht es im S-Bahnhof angeschrieben und so wurde es von vertrauenswürdigen Personen auch nachgegangen. So. Und nun ist mal Schluss mit diesem „außerhalb der Stadt“ Gedisse. Ist nämlich ziemlich blöd zu glauben, Pasing wäre am A.… der Welt. Vom Hauptbahnhof sind es gerade mal 10 Minuten mit der Bahn, das ist für jeden Innenstädter locker zu machen.
Das Essence selber gastiert in einem Neubau, das mag nicht auf Anhieb der Platz der Wahl für ein Gourmet Restaurant sein. Aber mit großer schattiger Terrasse, moderner und geschmackvoller Ausstattung macht das Essence sofort deutlich, dass es genau an der richtigen Stelle ist. Auf der großen, schattigen Terrasse blühen Mohn und Ranunkeln, dazu viel Grün in Form von Efeu und Gräser. Schön angelegt. Eine Loungeecke für den Digestiv gibt es auch noch. Für mich immer wieder ein Anblick zum Herzerwärmen: Weisses Tischtuch und ebensolche Servietten. Am Abend eines sonnigen Tages reicht das allein schon aus, um die Stimmung zu heben. Wenn dann noch ein umwerfend sympathischer Service, sehr freundlich und charmant von jungen Dame aus Giesing dazu kommt, ist meine Sympathie vollends gewonnen.
Dann mal ans Menü. Der Sekt vom Weingut Heinisch aus dem Weinviertel stellt sich als perfekter Aperitif heraus. Vor allem, weil er eben nicht völlig trocken ist. Mit zarter Muskatnote, obwohl reinsortig Veltliner, dezent perlend. Mit Sonne im Garten vermittelt er mehr Urlaubsfeeling als ein Kurztrip nach Bozen.
Gruß aus der Küche: Gekühlte Tomatenessenz |
Es folgt der Gruß aus der Küche, hier eine hocharomatische Essence, pardon, Essenz. Tomate pur, leicht kühl, sehr intensiv. Annähernd glasklar, ließ sie die Kamille, die reife Tomaten gerne haben, deutlich werden. Der Umami Grundton kam von getrockneten Steinpilzen, die die Basis der Essenz bilden.
Meine Vorspeise begleitete der Grüne Veltliner von Heinisch. Sehr dezentes, fast zartes Aroma, ein wenig Apfel, Pfirsich, sehr zurückhaltend und leise im Ganzen. Er überließ der Vorspeise die große Bühne. Und die kam in Form von Black Tiger Garnelen mit Pistaziensponge und Spargel grün-weiß. Mal abgesehen vom sehr geschmackvoll angerichteten Teller: Das war hinreißend leicht und frisch, perfekt für einen Sommerabend. Die Garnelen nicht totgebraten, der Spargel eine tadellose und gekonnt gegarte Basis, ein Tomaten-Gel und der Pistazien-Sponge sorgten an den jeweiligen Geschmacksenden der Garnelen für Ergänzung: Frische auf der einen, Nuss auf der anderen. Der Veltliner legte sich in die aromatischen Freiräume, erfrischte und ergänzte.
Weinviertel DAC Classic vom Weingut Heimisch |
Zur Hauptspeise dann ein Weissburgunder Reserve 2015 von Dürnberg. Diesem Weingut kommt man in München kaum aus. Ich führe das auf die ausgezeichnete Qualität zurück. Die Weine sind durch die Bank sauber gemacht, bieten viel Trinkspass fürs Geld. War auch bei meiner Spargel-Zander Variation so. Die - schaumig aufgeschlagene - Hollandaise und der Weissburgunder passten perfekt zueinander. Unaufgeregte Harmonie, genau das was man an einem lauen Sommerabend möchte. Besonders nett fand ich die frittierten Estragonblätter auf der Hollandaise. Dieses Spiel mit kulinarischen Zitaten - Estragon gehört in jede Sauce Bernaise, die ähnlich wie Hollandaise zubereitet wird und auch als Spargelbegleitung gilt - erfreut den Kenner. Der leichte Rauchschaum auf dem Teller sorgte beim Zander für mehr Würze, eine Spielerei, sicher, aber ein die ihren Zweck erfüllt und für mich dadurch keine mehr ist.
Zander | Spargel | Pommes Macaire | Rauchschaum |
Hollandaise mit frittierten Estragonblättern
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Den Weissburgunder habe ich dann bis zum Desert gestreckt - dasAuto wartete ja vor der Tür. War aber kein Problem, Taleggio gebacken auf Spargel-Rucola Salat mit Aprikosenchutney war für den Weinviertler kein Problem. Eher für mich. Denn das muss man den Damen und Herren vom Essence lassen - sie lassen niemand hungrig vom Tisch. Die Portionen sind so gar nicht Nouvelle Cuisine, mein Zander war ein veritables Stück Fisch, die Beilagen reichlich. Und dann wartete noch ein Extra auf mich. Zum Kaffee wurde ein wenig Süßes gereicht, schließlich muss man einmal am Tag Schokolade essen, sagte jedenfalls die Dame vom Service. Und stellte mir zwei kleine Stückchen Brownie zum Espresso. Es wäre eine verdammte Sünde gewesen sie nicht zu essen, so gut waren sie. Dunkel, schmelzend und leicht herb waren sie der verführerische Abschluss eines überaus gelungenen Frühsommermenüs.
Taleggio gebacken | Spargel-Rucola Salat | Aprikosenchutney
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Hinweis: Dieser Artikel entstand in Kooperation mit Culinarium Bavaricum