LANDPARTIE: SCHWELGEREI AUF GUT SONNENHAUSEN


Ach der Wolfram Siebeck, der hat ja so Recht .. sang Max Gold aka Foyer des Arts in den achtziger Jahren. Durchaus treffend. Waren doch laut Wolfram Siebeck die achtziger Jahre das Jahrzehnt, in dem geschwelgt wurde und sogar die Linke das ihr eigentlich wesensfremde Genießen gelernt habe. 


Dennoch mache den großen alten Mann der deutschsprachigen Gastrokritik wehmütig, dass "die Deutschen sich immer noch schwer damit tun, Geld für gutes Essen und guten Wein auszugeben." Also keinen Sinn für jede Form der Völlerei hat. Umso löblicher, das man sich auf Gut Sonnenhausen entschlossen hat, dem entgegenzuwirken. Mit einer Veranstaltung die den genussvollen Überschwang bereits im Namen trägt: „Schwelgerei“.


Gut Sonnenhausen ist ein Ableger der Herrmannsdorfer Landwerkstätten. Das großzügige renovierte Landgut ist ein edles Tagungshotel geworden, die Küche versucht dem nicht nachzustehen. In der Küche regiert Reinhard Angerer, in der Münchener Gastronomieszene kein Unbekannter. Und ein bekennender Slow Foodie - was in seiner Küche deutlich zu schmecken ist. Regionale Produkte, immer biologisch, strikt saisonal, simple Zubereitungstechniken, überraschende Kombinationen - that’s it. Man schwelgt in der Landküche seiner Großmutter sozusagen - und das ist gut so. 


Mit dieser klaren Konzeption werden auch die Abende im Kochstall gestaltet. Keine überzogene Tellerakrobatik - solides Handwerk, in der offenen Küche für jedermann sicht- und schmeckbar. Gegessen wird an langen Tafeln, die Gerichte werden auf gemeinsamen Tellern serviert, jeder nimmt was und soviel er möchte. Wichtiger als das auf den Tellern, ist das über den Tellern, die Gespräche, der Austausch, das gemeinsame Erleben eines schönen Abends. 
Das Schwelgen beginnt mit kalten Vorspeisen, vor allem den vorzüglichen Wurst- und Schinkenwaren aus der Herrmannsdorfer Metzgerei, Salaten, Dips und Brot. Es folgen mehrere warme Gerichte, Ente und Lamm, sogar Herz und Leber vom Schwein standen irgendwann auf dem Tisch. 



Begleitet von einer Vielzahl saisonaler Gemüse - Schwarzwurzeln, Radicchio, Bohnen, Chicorée - entstand ein vielgängiges Menü. Das sich jeder - ganz gleich ob Vegetarier oder Karnivore - nach eigenem Gusto von den Tellern nehmen konnte. Zwischen den Gängen bietet sich immer wieder die Möglichkeit den Köchen über die Schulter zu schauen - die Herde stehen mitten im großen Raum, kein Sichtschutz stört. Und das Team von Reinhard Angerer scheint sich zu freuen über die Neugierde der Gäste. Auch für sie ist es deutlich interessanter vor Publikum zu arbeiten, als in der Abgeschiedenheit regulärer Küchen. 



Laut Wolfram Siebeck habe Deutschland sich "digital weiterentwickelt, kulinarisch nicht“. Die Genussfreude sei einfach nicht da, die Deutschen sind tolle Autobauer, aber beim Essen steckt die Seele nicht dahinter, auch das Temperament nicht. Vielleicht sollte Siebeck mal nach Gut Sonnenhausen kommen. Auf eine Schwelgerei. Denn auch wenn dort keine Küchenrevolution angezettelt wird - Genussfreude und Temperament wird er mehr als ausreichend finden. Nur die Frage, wer nach einem solchen Abend die Gäste nach Hause fährt, sollte vorab geklärt sein. Wenn man nicht in den weichen Betten des angegliederten Tagungshotels landen will ...




Anm.: Zum Abend auf Gut Sonnenhausen wurde ich vom Veranstalter eingeladen.















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