WEISSWEINE AUF IDENTITÄTSSUCHE: BIANCO DI CUSTOZA


Die Weissweine aus Custoza haben in Deutschland ein eher zwiespältiges Renommee. Sie sind zwar ziemlich verbreitet, sind aber wesentlich häufiger auf den Karten des Italieners um die Ecke anzutreffen, als im gehobenen Weinhandel oder der Top-Gastronomie. Dabei gibt es unter den 70 im Consorzio Tutela Vino Custoza Doc organisierten Weinbaubetrieben, durchaus ein paar Perlen zu entdecken. Wenn man sie denn findet. Ach ja - es heisst übrigens offizielle Custoza DOC - und nicht Bianco di Custoza. 


Die Damen und Herren aus dem sanften Hügelland zwischen Verona und dem Gardasee stürzten einen wohlerzogenen Knaben wie mich ins Dilemma. Einer Einladung, zumal ins Münchner Tantris, begnet man mit Respekt und Höflichkeit, ja vielleicht sogar einem gewissen Wohlwollen gegenüber den Anliegen des Einladenden. Die Schelte für dieses, aus journalistischer Sicht unmögliche Verhalten, nehme ich auf mich. Aber es tut mir aufrichtig leid, wertes Consorzio Custoza: Viele Ihrer Weine sind nicht mein Ding. Das ist in der Breite sauber und korrekt gemacht, sicher auch moderat bepreist. Aber ganz überwiegend ähnlich austauschbar wie der in München allerorten getrunkene 'Lugana', der nur mit größtem Wohlwollen als weinähnliches Getränk bezeichnet werden kann. Allerdings den Vorteil hat, dass er sich mit alkoholschwerer Zunge leichter nachbestellen lässt, als der sprachlich weitaus komplexere 'Bianco di Custoza'. Dabei ist der Custoza mit seinen feinen Mandel- und Salznoten ja durchaus interessant, leider wird das all zu oft unter vordergründiger Primärfrucht versteckt. Mehr Mut zum Charakter, zu mehr Eigenart wäre schön. Da steckt aus meiner Sicht nämlich noch Potential, wie einige der Weine zum Lunch gezeigt haben. Und das gerade auch unter der magischen 10 €-Grenze. Denn das muss ich den Weinen aus Custoza dann doch zu Gute halten: Sie strapazieren den Geldbeutel nicht wirklich.



Immerhin - unter 13 präsentierten, aktuellen Bianco di Custoza, Pardon Custoza DOC, aufgeteilt in 3 Flights zum Menu von Hans Haas, gab es 5 Weine, die ein Nachschmecken lohnen. Das ist eigentlich keine schlechte Quote wie ich finde. Etwa der Custoza 2013 Le Tende, von dem zwar nur 20.000 Flaschen pro Jahr hergestellt werden, der mit seiner kraftvoll mineralischen Art aber einen hervorragenden Speisebegleiter abgeben wird. Ihm fehlt - zum Glück! - vor allem der 'Fruchtdrops' den viele Custozas dank Reinzuchthefen aufweisen. Das hat sicher aber auch etwas mit der üblichen Vorgehensweise zu tun, die Weine schon im Februar oder März nach der Ernte in den Handel zu bringen. Eine Unsitte, denn den Custoza tut eine etwas längere Reife in der Flasche wirklich gut. Wie dem Custoza 2013 Le Vigne di San Pietro. Er hat seine Jugend im Stahltank verbracht, bleibt aber nach der Füllung noch zwei Monate liegen. Was seiner Struktur sehr zu gute kommt. Da ist Körper, Finesse, ja, er tanzt sogar ein wenig auf der Zunge. Der Custoza 2013 San Michelin von Gorgo liegt sogar 6 Monate auf der Hefe um mehr Struktur zu bekommen. Was als gelungen bezeichnet werden darf. Da ist ein wenig Rauch im Glas, gemeinsam mit Mandel- und Nussaromen, begleitet von Birnen und Gras. Mit seiner respektablen Länge ein wirklicher Könner. Und für deutlich unter 10 € im Einzelhandel ein Schnäppchen. Mit dem Huchen auf Holunderpurree (rechts im Bild) hat er sich jedenfalls ganz prächtig verstanden.




Der nächste Flight wurde noch gehaltvoller, die Weine ausdrucksstärker. Der Custoza 2012 Cá del Magro von Monte del Fra lag zum Teil sogar im kleinen Holzfass. Eigentlich ein schwieriges Unterfangen bei frischen  Weissweinen. Aber ihm steht das Holz, da immer noch die mineralische Frische zu spüren ist. Zum Kalbssattel auf Spinat und Pfifferlingen mundete er jedenfalls ganz hervorragend. Auch einige Grundweine des Custoza 2012 Amedeo von Cavalchina werden im Holz ausgebaut, bevor cuveetiert wird. Dieser Wein gilt in Custoza als 'Qualitätslokomotive', wie mir ein Weinrepräsentant am Tisch verriet. Ich kann verstehen warum. Denn das ist wirklich ein guter Weisswein: Frisch, animierend, mit satter Mineralität, Körper und Länge. Ja, das macht richtig Spass und ist für den Preis - um die 11 € - eine Empfehlung. Vielleicht lag es ja auch daran, dass es sich um einen 2012er handelte. Ich bleibe dabei - lasst den Weinen Zeit sich in der Flasche zu finden. Auch Bianco di Custoza können reifen. Allerdings sollte man es nicht übertreiben, wie sich auch zeigte. Denn zum Schluss gab es noch Weine aus 2007, 2009 und 2010. Das war zwar sehr interessant, aber nicht wirklich bemerkenswert. Deshalb auch ohne Nennung oder Wertung.




Fazit: Der Bianco di Custoza - Custoza DOC - kann mehr, wenn man ihn lässt. Mit Zeit zur Reife, dem teilweisem Ausbau im Holz und dem Verzicht von Aromahefen können Weissweine entstehen, die wundervolle Speisebegleiter ergeben. Einige Betriebe machen es ja vor. 

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