WEIN





Grundsätzlich ist es ein guter Ansatz: Ein handfester Ratgeber für den Weinkauf, Ross und Reiter werden klar genannt. Und kategorisiert. Schnecke, Flasche oder Euro als Symbole kennzeichnen die Weingüter mit besonderen Eigenschaften, die Begriffe ,Vino Slow‘, ,Großer Wein‘ und ,Alltagswein‘ sollen einzelne Weine besonders hervorheben. Von Geschmack ist da noch nicht die Rede. 



Nur echt mit10% Rabattmarke:
slow wine 2013
Dafür ist das Preis-Leistungs Verhältnis zum Gefallen der Schnäppchen Jäger ein Kriterium und taucht in gleich 4(!) Kategorien als Bewertungsmaßstab auf. Die eigentlichen Slow Food Kriterien - sinnliche Eigenschaften, Terroirausdruck, Umwelt und Persönlichkeit - sind dagegen nur bei den mit einer Schnecke ausgezeichneten Weingütern von Relevanz. Ein bißchen verwundert es schon: Die Lebensmittelretter von Slow Food freuen sich vor allem über preiswerte Weine. Erwartet hatte ich von einem Slow Wine Führer etwas anderes. Autochthone Rebsorten, Reberziehung, Bodenbearbeitung, Spontanvergärung, Amphorenausbau, Barriqueverzicht - alles Schlagworte die mit meinem Bild von einem Slow Food Wein sehr viel mehr zu tun haben, als die Frage nach der Preiswürdigkeit. Auch der Slow Food Claim - gut, sauber, fair - findet sich in der Suche nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis nur sehr bedingt wieder. Da liegt der Verdacht ziemlich nahe, dass hier in erster Linie ein Weinführer aufgelegt wurde um Geld in die traditionell klammen Kassen der Bewegung zu spülen. Das ist verständlich - macht aus dem Weinführer aber leicht angreifbares Werk. Und hilft der Glaubwürdigkeit der Slow Food Bewegung nicht weiter. Und wenn auch noch eine aufgedruckte 10%-Rabattmarke das Cover verunziert, ist die Frage nach der Schnäppchenjägermentalität in Slow Food Kreisen wohl endgültig geklärt.
Neben diesen grundsätzlichen Fragen gab es natürlich auch etwas zu verkosten. 98 Weingüter mit jeweils 2 Weinen. In 6 Stunden nicht zu schaffen. Deshalb hier nur ein kurzer Auszug meiner Notizen.
Gigi Bianco legt seinen
Barbaresco ins große Holz
Das Piemont schmeckt fruchtig wie selten. Vielen Winzern ist es gelungen mit moderner Technik und verbesserten An- und Ausbaumethoden ihren Vorzeigeweinen Barolo und Barbaresco einen süß-saftigen Fruchtkern zu verpassen. Das schmeckt vielen besser als die Kanthölzer der Vergangenheit. Und lässt sich auch besser verkaufen. Der Barolo Mosconi 2008 von Conterno Fantino steht dann mit seinen 15% Alkohol in prachtvollen Rot im Glas. Mit den leichten Klebstoffnoten in der Nase und dem opulenten Fruchtkern wird er international für die angepeilten 59 € per Flasche sicher weggehen. Mir ist das zu gefällig. Da ist der Ghemme Collis Breclemae 2004 vom Weingut Antichi Vigneti di Cantalupo mehr nach meinem Geschmack. Mit seinem blassen Ziegelrot und der verschlossenen Nase wirkt er ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Schlank und burgundisch, mit präsenter Säure und strammen Tanninen ein klassicher Herr aus Norditalien. Ähnlich altmodisch wirkte der Barbaresco Ovello 2009 von Gigi Bianco. Der Winzer mit gerade 18.000 Flaschen Produktion legt seinen Barbaresco ins große Holz. Und mit seinem hellen Ziegelrot, dem Duft nach Walderdbeeren, den kräftigen Tanninen hinter der nicht zu süßen Frucht ist er im besten Sinne ,old-school‘.  Spass machen vor allem die eher unbekannteren Regionen im Norden, der Barbera D‘Asti Superiore Nizza La Nicchie 2009 vom kleinen Familienweingut La Gironda überzeugte mit Komplxität und Trinkfreude und kann sogar ohne begleitendes Essen auskommen. Richtig originell wurde es mit der autochthonen Rebsorte Ruché, die im Ruché di Castaglione Monferrato Majoli 2011 von Dacapo mit intensiven Rosenduft und zarten Tanninen an einen altmodischen Beaujoulais erinnerte. 


Pigato: Herausforderung
an Winzer und Trinker
Ungewöhnlich und autochthon auch der Riviera Ligure di Ponente Pigato Domé von VisAmoris. Das kleine ligurische Weingut produziert relativ konventionell. Noch nicht einmal spontan Vergärung. Aber im Glas riecht der Wein wie ein ,vin naturel‘. Ein Hauch von Schwefel, kaum Primäraromen. Im Mund weist die Rebsorte Pigato dann gewisse Ähnlichkeiten zum Riesling auf, frische Säure, gelbe Früchte, viel Mineral. Sehr spannend - und ein Tipp zum Weglegen. Und einer der ganz wenigen Weißweine der Präsentation der mehr konnte als einen Teller Pasta di Mare zu begleiten. Zu den Ausnahmen gehörte auch der Malvasia 2011 von Borgo San Daniele aus dem Friaul, der mit seiner Brioche Nase, der Akaziensüße, allerdings auch 14% Alkohol, ein eches Gegengewicht zur Armada der blassen Leichtgewichte darstellte. 

Caparsa stellte gleich
5 Jahrgänge des Chianti vor
Die Mitte Italiens und damit die Toskana war mit dem Piemont die zahlenmäßig stärkste Region, 20 Weingüter stellten an. Darunter vor allem viele Bekannte (Capezzana, Isole e Olena, Badia a Coltibuono, Fontodi, ...) und ein paar Entdeckungen. Caparsa überzeugte mit seinem Chianti Classico Caparsino Riserva 2008 der mit strammer Säure, massenhaft Tannin und sehr männlicher Ausstrahlung einige Trinkerfahrung und vor allem Kellerreife fordert. Die Weine bis 2006 waren zu kosten. Und alle waren sich einig in ihrer jugendlich muskulösen Sperrigkeit. Wein zum streiten, zum diskutieren. Klasse!
In die selbe Richtung gehen der Chianti Classico 2010 und Chianti Classico Il Campitello Riserva 2009 vom Weingut Monteraponi. Beide haben kein Barrique gesehen, sind keine Schmeichler. Als Essensbegleiter ideal, schlank, säurebetont, eher burgundisch als kalifornisch. Auch die feine Bitterbote die dem Chianti traditionell zugeschrieben wird fehlte nicht. Wer es in der Mitte Italiens gerne zugänglicher möchte, muss dafür in die Marken schauen: Der Rosso Conero 2009 von Moroder bietet Frucht, Körper und mildes Tannin für unter 10 €. Damit das Thema ,Preis-Leistung‘ auch einmal im positiven Kontext erwähnt wird.




VDP: GG 2013 Nahe-Mosel-Pfalz-Rheinhessen


Der VDP ruft - wie immer kamen alle. Viel Wein, wenig Raum. Das ,The Charles‘ in München drohte aus allen Nähten zu platzen. Händler, Sammler und Journalisten drängelten sich um die Produzentenelite von Nahe-MoselSaarRuwer-Pfalz-Rheinhessen. Trotz Disziplin kein Durchkommen, ein Eindruck war nur über die Rieslinge möglich. Kurze Eindrücke:



MoselSaarRuwer
Clemens Busch 2011 Marienburg Falkenlay: Süsse Frucht in der Nase, sehr komplex. Der Winzer ist heiterer als seine Weine.  

Grans-Fassian 2011 Apotheke: Erstes Highlight. Noch in der Fruchtphase, reich geradezu üppig, kraftvolle Mineralität, klare Struktur hohes Potential. 

Reinhold Haart Ohligsberger 2011: Nase zu, verschlossen. Lässt mich nur raten was da kommen könnte.

S.A. Prüm: Sonnenuhr 2011 Alte Reben:  Viskos Fruchtsüsse, Hang zum Alkohol 

SA Prüm: Sonnenuhr 2010 Devon: Schon zugänglich elegant Flaschenreife tut ihm gut in der Mitte noch etwas mineralisch hart 

SA Prüm: Sonnenuhr 2010 Alte Reben: Verschlossene Nase, außerordentlich dichtes mineralisches Mundgefühl bleibt extrem lang im Mund etwas trocken braucht weitere 5 Jahre ...


Pfalz Weiß
Reichsrat von Buhl Reiterpfad 2011: Sehr Pfälzisch, bisschen zuviel Säure, wenig Spannung

Jesuitengarten 2011: Reicher, voller feiner fester Mineralikkern, auf Lagerung angelegt.

Ungeheuer 2011: Nase wirkt verschlossen, dennoch reich, strukturiert Honigsüße, weniger barock, hier: schlank, eher Nahestil (?)

A. Christmann Reiterpfad 2011: Alles da, wo es hingehört. Sehr harmonisch, macht bereits jetzt viel Freude.Von den Christmann Weinen der im Moment zugänglichste. Wird hervorragend reifen. 

Langenmorgen 2011: Noch mineralisch verschlossen, und der IDIG ist noch richtig böse, sperrig. Komplett verschlossen. 

Boris Kranz Kalmit 2011: Der wird immer zu schmecken sein. Irre Mineralisch, nasser Stein im Mund, laut Boris öffnet er sich gerade. Ungewöhnlich, spannend.

Weingut Pfeffingen Riesling Herrenberg 2011: Sauvignon Nase, sehr untypische Rieslingart, Feuerstein

Rebholz Riesling 2011 ,Ganz Horn‘ im Sonnenschein: Zurückhaltend , eher verspielt als kraftvoll, schon zugänglich. Fällt unter den Mineralik- und Fruchtbomben wenig auf. Schwieriger Stand auf so einer Probe,

Rebholz Im Sonnenschein 2011:  Noch freundlicher, ziseliert, fat zart. Könnte länger sein - kann aber auch an schwindenden Verkostungsfähigkeiten liegen.

Kastanienbusch 2011: Ist und bleibt einzigartige Lage, die Mischung aus Sonne Wärme und Mineralik ist lunvergleichlich. Großer Wein, komplex, reich. Wurde komplett geschluckt :-)
Nahe
Schäfer-Fröhlich Felseneck 2011: Eigenständige Aromatik, sehr ungewohnt und spannend. (Spontanvergärung?) Mineralisch, sehr mineralisch. Intellektueller Wein. Irres Potential.

Felsenberg 2011: Zugänglicher, Primärfrucht, gut balanciert mit Mineralik. Wirkt nicht so fordernd wie der Felseneck.

Rheinhessen
Weingut Wittmann: Aulerde schon trinkbar, Kirchspiel auch ... der Morstein zugesperrte Kathedrale. Du weißt wie groß das Ding ist, aber Du kommst (noch) nicht rein. Aber ein Verdacht: Weniger Wucht als sonst. 


Weingut Keller: Der Hipping 2011 schlägt alles (derzeit) Unverschämt reich, opulent, wollüstig, Best of Show at this point.

Pfalz Rot
Friedrich Becker:  Kammerberg 2010 geht in Richtung Volnay, vor allem über die Frucht, der Sankt Paul kommt stärker über den Boden, Mineralik. Ganz groß, aber keine Überraschung. Struktur und Finesse in D unerreicht. Der FCB des Deutschen Rotweins. Ist zwar auf Dauer langweilig immer die No.1 zu sein - aber was will man machen? 

Weingut Knipser Burgweg: Macht bereits Freude, ist über die Frucht einfach zu verstehen. Kirschgarten ist schon komplexer, könnte mehr Länge vertragen. Mandelgarten 2009 ist auch gut zu trinken. Alle Weine zeichnet ein durchgehender Stil aus. Borussia Dortmund im Kontext mit F. Becker. 

Fazit: Die GG werden immer stärker zum Aushängeschild deutschen Weinbaus und zur Spielwiese für eigenständige Winzer. Die spannende Vielfalt allein im Riesling Bereich durch die 4 Regionen macht sprachlos. Ausreißer nach unten? Nicht probiert. Das Niveau ist erscheckend hoch - für das private Weinbudget. :-)

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