ES IST DOCH NUR WEIN?



Es hat mich in den letzten Wochen umgetrieben. Ich habe beruflich so viel mit Wein zu tun, wie noch nie zuvor. Was mich unbändig freut. Aber gleichzeitig spüre ich auch immer mehr, wie sehr das Thema ‚Wein‘ die Menschen beschäftigt, sie verändert und beeinflusst. Im Guten, wie im Schlechten. 


In den unendlichen Weiten der sozialen Netzwerke wird zur Zeit wieder einmal heftig  gestritten. Naja, es ist eigentlich mehr ein Pöbeln, das sich durch Facebook und Co. zieht. Diese armseligen Winde öffentlicher Erregung entstehen an so schicksalshaften Fragen, wie der Zugabe von Schwefel in den Wein (was eine gängige Praxis zur Stabilisierung des fragilen Gebildes Wein seit Jahrhunderten ist) ob ein bekannter Winzer aus der Pfalz nun Geißel oder Erlöser des deutschen Weins ist, oder der Frage nach den korrekten Umgangsformen, die bisweilen einem Neuköllner Straßenrapper die Schamröte ins Gesicht treiben könnten. In diesem Spannungsfeld arbeiten sich - im realen Leben rechtschaffene Menschen - mit Vehemenz ab, was einen der bekanntesten digitalen Weinafficionados zur Aussage verleitete:

„Kinder, es ist doch nur Wein!“

So sehe ich das grundsätzlich auch. Und hatte mir deshalb eine Art „Online-Wein-Kommunikations-Detox“ verschrieben in den vergangenen Wochen. Doch dann kommt mir dieser kleine Chardonnay aus der Pfalz ins Glas und meine Enthaltsamkeit ist zum Teufel. Wie ein Franzose duftet er aus dem Glas, ein ganz leichtes Rückgrat aus Holz hat er, ein wenig Bleistiftspitze mischt sich dazu. Er duftet gut, edel, mit deutlicher Kräuterwürze. Gabriel und Simon Scheuermann heißen die Winzer hinter dem Wein. Jung sind sie, gut ausgebildet, die besten Adressen der Pfalz und anderswo waren Lernstationen. Von Winning, Dr. Wehrheim, dazu Lageder und Peter Jakob Kühn - es finden sich einige namhafte Bio Betriebe unter den Gesellenstationen der Brüder. Wenig überraschend haben die Zwei das elterliche Weingut denn auch auf Biodynamik umgestellt. Mein ‚kleiner‘ Chardonnay wurde im Holzfass ausgebaut, spontan vergoren, die Weinentstehung nennen die beiden “Kontrolliertes Nichtstun”. Sie greifen nur dann ein, wenn es wirklich notwendig ist.




Und so sitze ich da und schmecke und rieche, staune und lese. Über diesen Chardonnay, die beiden jungen Männer die diesen Wein machen, die Region aus der dieses kleine Wunder kommt. Verbunden mit der Erkenntnis, daß es vielleicht doch nicht nur Wein ist. Es ist Kunst, es ist Handwerk, Wissen und Neugier, Können und Experimentierlust. Alles Dinge die klar machen: Es ist eben nicht nur Wein. Es ist mehr. Definitiv. 

Hinweis: Dieser Artikel entstand in Kooperation mit Culinarium Bavaricum

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