VINOS Y TAPAS: SPANIEN, PAULA BOSCH, BOBBY BRÄUER UND EINE ERKENNTNIS
Der Weintrinker als solcher ist nie ganz frei von Vorurteilen, von Erkenntnissen, die keine wirklich belastbare Grundlage haben. Was dazu führt, das ganze Weinnationen ein relativ blinder Fleck auf der privaten vinologischen Weltkarte sind. Mir geht es mit spanischen Weinen so, mir sind die eigentlich zu schwer, zu süss, zu hölzern oder wenn sie mir schmecken, zu teuer. Und dann kommt der Moment, da du eingeladen wirst zu einem vorzüglichen Abendessen und es kommen nur spanische Weine auf den Tisch und du weisst nicht, wie dir geschieht. Vinos y Tapas heisst eine Veranstaltungsreihe, bei der Paula Bosch spanische Weine vorstellt. Der Auftakt in Bobby Bräuers Restaurant 'EssZimmer' war mehr als vielversprechend.
Es ist nur eine geräucherte Sardine auf geröstetem Brot. Zwei Bissen, mehr nicht. Dazu ein Schluck trockener Sherry. Einfacher geht Tapas kaum. Und doch beamt mich diese Kombination einfach weg. Salzig, würzig, saftig, knusprig - ein Feuerwerk von Aromen und Texturen. Blitzsauber gekocht, perfekt kombiniert. Der Einstieg in den Abend hätte nicht gelungener sein können. Und doch war er nur die Ouvertüre. Zusammen mit den Kaninchennieren auf weissen Bohnen ...
Bobby Bräuer stellte im EssZimmer sein aktuelles Menü vor, Paula Bosch kombinierte exklusiv für diesen Abend ausschliesslich mit spanischen Weinen. Die zwei sind ja nun wirklich keine Unbekannten in der kulinarischen Welt, aber dass sie derart souverän arbeiten hat mich sprachlos gemacht. Die Felsenrotbarbe auf belgischem Chicorée mit Orange fand sich beim Verdejo "Ossian" aus der gleichnamigen Bodega bestens aufgehoben, der mit ausreichend Körper und Reife, gleichzeitig ohne jede Schwere, die Säure der Orange zum Leuchten brachte.
Der nächste Gang lag Paula Bosch besonders am Herzen. Der Vina Tondonia Blanco Reserva 1999 ist nach ihren Worten ein Highlight in ihrem Leben. Mir haben diese altmodisch etikettierten Flaschen nie viel gesagt. Bis zur Mallorquinischen Garnele mit Blumenkohl und Kaffee. Schwer zu beschreiben, wie sich beides im Mund miteinander verband. Aber auch hier waren es die gekonnt eingesetzten Texturen, die mich regelrecht sprachlos machten, das Kaffeepulver entlockte dem Wein ungeahnte Frische, da war Apfel, Limette, nach hinten raus etwas Apotheke und Lack. Ich musste lange überlegen, wann ich eine perfektere Kombination von Speise und Wein genossen habe. Da waren mal überbackene Austern und ein Meursault ... andere Geschichte. Das hier war perfekt.
Der nächste Gang war für mich ein der Beleg, dass perfekte Weinbegleitung keine Frage des Budgets ist. Sondern des Könnens. Der Capcanes "Cabrida" ist im Handel für ca. 25,00 € erhältlich, auch jederzeit verfügbar. Und er liess den schwarzen Trüffeln, die neben Herbstfrüchten die geschmorte Kalbsschaufel begleiteten, sehr galant den Vortritt. Der Wein stützte das Essen, nahm sich zurück um im richtigen Moment mit fruchtiger Frische zu neutralisieren. Das ist kein Komplexitätsmonster, kein Extraktriese - aber ein unglaublich wohlerzogener Begleiter.
Deutlich wichtiger nahm sich der nächste Wein, "Bembibre" von Domino de Tares. Zu 100% aus Mencia gekeltert - die keine Cabernet Franc Spielart ist - zeigte sich dieser 2008er von unglaublicher Tiefe, Festigkeit. Mich verwunderte die Leichtigkeit und der Schmelz, die Finesse. Leicht, fast tänzelnd bewegte sich der Wein, die uralten Reben sorgten für Würze im Mund. Das schmeckt deutlich über 'wichtig' oder 'lecker'. Das ist Konzentration, Kraft, Struktur und kein süffiges Getränk. Bleibend. Und dann kam dazu eine als "BBQ" getarnte 'Sau' auf den Teller, die Paula Bosch " ... so noch nie hatte .." wie sie sagte. Schmelzend zartes Iberico Pluma vom Grill, würzig, intensiv, nussig - was für ein Genuss.
Um meiner Spanien-Unwissenheit die Krone aufzusetzen, stellte Paula Bosch der Crème Catalana mit Passionsfrucht einen süssen Spanier zur Seite. Der "La Dulce" 2008 von Quinta de la Quietud spielte regelrecht mit dem Desert. Beide tanzten im ganzen Mundraum, immer im Gleichklang und doch mit unterschiedlicher Haltung. Säure spielte mit Süsse, Schmelz mit Frische. Ja, ich trinke seit über 30 Jahren Wein - aber so ein im wahrsten Sinne entzückender, süsser Spanier ist mir noch nie über den Weg gelaufen.
Was bleibt? Die Erkenntnis, dass grosse Kochkunst und spanischer Wein sich viel zu selten begegnen in Deutschland, dass Spanien von mir persönlich immer noch unterschätzt wird und dass ich im Gegensatz zu Paula Bosch keinen blassen Schimmer über die wirkliche Größe dieser Weinbaunation habe. Schande über mich, Chapeau Paula Bosch und Bobby Bräuer. Diesen Abend werde ich in die Zukunft mitnehmen!