MARKUS BRANDT: DER MICHEL AUS DITTELSHEIM-HEßLOCH


Ich mag es, wenn ein Winzer, zumal ein junger, nicht den Eindruck vermittelt, er wisse von vorne bis hinten was in seinen Weinbergen und seinem Keller passiert. Ich mag die Zweifelnden, die Suchenden, die immer Neugierigen. Die auch bei vollem Bewusstsein und nie versiegendem Elan auf der Suche sind. Und es dabei auch in Kauf nehmen, aber mal so richtig auf die Fresse zu fallen, weil ein Wein komplett daneben gegangen ist. Menschen die sind wie Michel aus Lönneberga und im Notfall zum Holzfigurenschnitzen im Schuppen untertauchen. In Rheinhessen habe ich so einen Winzer besucht. Markus Brandt aus Dittelsheim-Heßloch. 




Da waren Winzer mal so richtig erfolgreich in Sachen Marketing: Das einst als Produzent belangloser Massenware verleumdete Rheinhessen hat sich in den letzten Jahren zu einer Art 'In-Region' unter den deutschen Anbaugebieten gewandelt. Hinter dem Großmeister Hans-Peter Keller kann die Region mit smarten jungen Leuten wie HO Spanier, Phillip Wittmann oder in jüngerer Zeit Kai Schätzel aufwarten. Es wurden Gruppen gegründet wie die ‚Message-in-a-bottle‘, das soziale Netz sehr geschickt für die Eigenwerbung genutzt selbstbewusste Preise für die besten Weine aufgerufen - und bezahlt! Das alles ist sehr smart, sehr zeitgemäß und wirtschaftlich sehr erfolgreich. In dieses zugegeben sehr klischeehaft gezeichnete Bild passt der junge Markus Brandt aus Dittelsheim-Heßloch so gar nicht. Und irgendwie dann wieder doch. Denn schliesslich stammt auch er aus Rheinhessen, ist jung, selbstbewusst und voller Ideen. Trotzdem erinnert er eher an Michel aus Lönneberga als an einen Winzeryuppie mit Timberland Schuhen und Tommy Hilfiger Shirt. 

Das Weingut von Markus Brandt liegt mitten im Ort und mag vieles sein - aber ganz sicher kein 'Weingut'. Ich bin selber auf dem Land in Schleswig-Holstein groß geworden -genauso sahen die Bauernhöfe von Lars, Hannes und Knut aus, die mit mir die Schulbank drückten. Das ist keine polierte Postkartenidylle, das ist ein Arbeitsplatz. Mit Maschinen, Geräten und Gebäuden, denen man die jahrelange und intensive Nutzung auch ansieht. Dazu passt auch der Herr über die Maschinen, Markus Brandt, dessen Händedruck Marke Schraubstock mich an einen Klempner erinnert. Und auch äußerlich entspricht Markus nicht dem Bild eines Winzers, wie er gern in den glänzenden Weinmagazinen präsentiert wird. Arbeitsschuhe, abgeschnittene BW-Hose, T-Shirt. Arbeitskleidung, ungeschönt, ehrlich. Dieses Bild ändert sich aber schlagartig, wenn seine Weine ins Glas kommen und Markus erzählen kann. Dann wird der kleine Michel aus dem Mann, verschmitzt, neugierig und voller Unternehmungslust.


Sein Chardonnay etwa ist ein echter Dijon-Klon, dem es im Glas derzeit noch an burgundischer Eleganz und Fülle mangelt. Aber, worüber reden wir hier? Einen 25-jährigen Bauernbengel aus Rheinhessen, der schlitzohrig und unverkrampft seinen Weg sucht. Und wie der Michel aus Lönneberga seinen Kopf in jede Suppenschüssel steckt um zu sehen, was drinnen steckt. Auf jeden Fall ist der Chardonnay ein Versprechen in die Zukunft, das Markus in zwei oder drei oder vier Jahren einlösen wird. Eilt ja nicht. Er hat Zeit.

Um eine vernünftige Basis für sein Treiben auf dem Weingut zu haben, das er von den Eltern übernommen hat, studiert er in Geisenheim, lässt sich aber auch da kein X für ein U vormachen. Es sei schon gut zu wissen was alles geht, sagt Markus, aber das allein mache noch keinen guten Wein. Er will ausprobieren, sich und die Rebstöcke, will ergründen, wie er den maximalen Geschmack aus jeder Traube rausholen kann. Das führt zu Weinen wie dem Grünen Silvaner 2013: Der Wein ist derzeit noch vogelwild, hat weder seine Mitte noch alle seine Einzelteile gefunden oder geordnet und ist mit seinen Gummierstiftnoten plus Spontinase schwer fordernd. Der Vater riet dem Sohn dann auch „Füll’ den bloß nicht ab!“ Trotzdem ist es nicht nur im Sinne juveniler Aufsässigkeit gut den Wein in der Flasche zu haben. Mit 7% Säure und fast 10 Gramm Restzucker ist das Baby kräftig gebaut Brandt Junior sagt: "Ich weiss nicht wie der sich entwickelt. Aber ich behalte genügend Flaschen zurück um es herauszufinden." So ein Michel…



 

Herausfinden will er auch, was sein Schönburger so kann. Eine Rebsorte, die auf nur noch 7 ha in ganz Deutschland angebaut wird. Zurecht wie viele von Markus Berufskollegen sagen. Aber der Opa hat die AnIage in den 60er Jahren gepflanzt, es wäre für Markus eine  Schande die schönen alten Rebstöcke rauszuhauen. Also macht er einen Schönburger Kabinett, der mit fruchtiger Tiefe und zarter Mineralität alle Gegner von seiner Existenzberechtigung überzeugen dürfte. Überhaupt hat Markus ein Faible für Rebsorten abseits des Mainstreams. Neu gepflanzt hat er Blaufränkisch im Bechtheimer Hasensprung. Wirklich österreichischen Blaufränkisch und keinen deutschen Lemberger. Einfach weil ihm selber die österreichische Variante besser schmeckt. Neben den Flächen von Wittmann und Dreissigacker hat er also in diesem Frühjahr seine Jungreben gesetzt. Und ist stolz wie Bolle auf die Anlage. Mal sehen was da kommt.



Wenn es so wird wie sein Spätburgunder, wird es auf jeden Fall für Diskussionen sorgen. Denn die Fassprobe Spätburgunder 2012 die er zum Abschluss verkosten lässt, sorgt für Stirnrunzeln: Der leuchtend rote Stoff liegt immer noch im kleinen Holzfass, also seit weit mehr als einem Jahr. Und ist doch so ganz anders als befürchtet. Nix Schreinerei Brandt, sondern sehr ätherisch, schwebend, getragen von dunkler Kirsche und geprägt von ganz feinem Tannin. Sehr lang, der Abgang ist von den Gerbstoffen des Holzes geprägt. Der Wein ist noch nicht völlig ausgereift, zeigt aber ganz deutlich das Potential der Rebanlagen und des Winzers. Markus sucht beim Spätburgunder burgundische Eleganz und nicht pfälzisch/ badische Kraft und Fülle. Da scheint er auf dem richtigen Weg zu sein. Mal sehen wie sich das in der Flasche entwickelt, wenn er sich dann irgendwann zum Füllen durchringen kann. Der Michel aus Dittelsheim-Heßloch.






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