FLASCHE LEER: GEMISCHTER SATZ 2012 VON INGRID GROISS

Die schönsten Flaschen sind die geschenkten Flaschen. Nein, nicht ganz: Am schönsten sind die getauschten Flaschen. Zwei junge Tomatenpflanzen 'Lämpchen' im Tausch gegen eine Flasche 'Gemischter Satz' 2012 von Ingrid Groiss. Danke Andreas Röhrich, dem Sommelier des Broeding in München, für diesen Tausch. Denn über den Wein freue ich mich immer noch. Und wer weiss schon, ob die Tomatenpflanzen anwachsen ...



Die österreichische Weinspezialität 'Gemischter Satz' ist ja so eine Geschichte, der wir Deutschen auf Anhieb misstrauen. Bei uns ist es schöne Sitte, dass in jedem Weinberg eine klar identifizierbare Rebsorte steht. Sortenrein ist für uns ein Qualitätskriterium, wir trinken Riesling oder Silvaner oder Spätburgunder - aber schon beim Wort Cuvée denken wir Piefke erst einmal an halblegale Weinpanschereien. Wenn dann aber unterschiedliche, und am Ende noch nicht einmal eindeutig zu identifizierende Rebsorten in trauter Eintracht in einem Weinberg stehen, dann schrillen sämtliche teutonischen Alarmglocken. Da hilft es auch nichts, wenn wie im Falles des gemischten Satzes von Ingrid Groiss, die Oma etliche der 17 Rebsorten im Weinberg zu benennen weiss. Stutzig macht nur die von der alten Dame genannte 'Hitler-Rebe', die sich auf Nachfrage aber als 'Hietl-Roter' entpuppt und nur der, Deutsche und Österreicher trennenden, gemeinsamen Sprache - hier Dialekt - geschuldet ist. Konnte ja auch gar nicht anders sein - die Reben sind ja erst fünfzig Jahre alt. Und nicht achtzig ...




Dann mal ins Glas mit dem Wein. Schraubverschluss, Farbe helleres Grün-gelb. Nase ins Glas. Was ist denn da los? Es erinnert im ersten Moment an Buttermilch, frisch, ganz leicht säuerlich, etwas laktisch. Nach kurzer Belüftung kommt dann das kernige Obstorchester: Quitte, Birne, Apfel - eher die herberen Obstsorten. Dazu auch ein paar grüne Noten - Gras? Waldmeister? Über allem liegt eine herbe Frische, die animierend auf die Trinkfreude wirkt. Oh - Walnüsse kommen mir noch in den Sinn. Aber ganz frische, solche die noch Säure und Gerbstoffe haben, also im November des Erntejahres gegessene. Die haben auch eine gewisse Schärfe - das könnte das berühmte 'Pfefferl' sein, von dem bekennende Grüner Veltliner Trinker so gerne schwärmen. Denn besagte Rebsorte findet sich auch im Gemischten Satz von Ingrid Groiss. 




Der Wein schmeckt ausgesprochen reichhaltig, üppig - ohne satt zu machen. Im Gegenteil. Der Wein läuft und läuft - großartig. Das macht Spass so wie es ist. Aber das lässt sich noch steigern. Zum Abendessen gab es einen gekochten Brustkern vom Galloway, in Meerrettich(Kren)-Sauce, dazu kleine Kartoffelklösse in Semmelbröseln geschwenkt. Das ist zwar eine wüste bayerisch-österreichisch-fränkische Alliance - passte aber perfekt zum Wein. Die Brotaromen fanden sich im Gemischten Satz wieder, die Schärfe des Kren wurde von der leichten Fruchtsüsse des Weins gekontert, die Säure liess das doch eher reichhaltige Gericht leicht und schwerelos wirken, der Schnittlauch spiegelte die grünen Noten des Weins. 
Und ich lege beim letzten Schluck die Füsse hoch, denke an Tomatenpflänzchen, an den Herrn Röhrich und daran, irgendwann mal Frau Groiss zu diesem Wein zu befragen. 



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