WEINRALLYE #97: DER KAPITÄN UND DIE TIBOUREN


Es gibt so Weingüter …. die machen den Besucher schon beim ersten Eindruck sprachlos. Clos Cibonne ist einer dieser Fälle. Und das liegt keinesfalls an der beeindruckenden Lage des Anwesens unweit des Mittelmeeres. Hier ist es die schiere Größe der Palmen, die den Innenhof säumen, die in den Bann schlagen. Mindestens 15 Meter hoch, im Durchmesser gut und gerne anderthalb Meter. Wie alt sie sind - keine Ahnung. Aber so ehrwürdig wie dieser alte Landsitz aus dem 17. Jahrhundert sind sie allemal. Angefangen hat alles mit einem alten Soldaten, einem Marinekapitän, der sich nach unzähligen Seeschlachten im Dienste seines Königs, hier zur Ruhe setzte.


Auf einem Hügel zwischen Toulon und Hyères, da wir die französische Mittelmeerküste zwar spektakulär ist, aber noch nicht Côte d’Azur heisst, liegt umgeben von Weinbergen Landsitz Clos Cibonne. Jean- Baptiste de Cibon, Kapitän der Königlichen Marine Ludwig des XVI, war der erste Besitzer dieses Landstücks - und natürlich auch Namensgeber. 1797 starb der hochdekorierte Soldat, das Anwesen wurde an die Vorfahren der heutigen Besitzerfamilie Roux verkauft. Das ganze Anwesen war wohl mehr eine Art Fattoria, also ein Landwirtschaftlicher Mischbetrieb. Zitrusfrüchte wurde angebaut, Blumen, und natürlich auch. Aber erst André Roux fing in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts damit an, sich auf den Weinbau zu konzentrieren. Und er setzte da bei auf die Rebsorte „Tibouren“. Es liegen sogar noch einige Flaschen seiner Produktion - damals mit dem Namen “Château Cibon“- im Keller des Weingutes. 



Sein ziemlich ehrgeiziges Ziel war es, die Tibourentrauben weltweit bekannt zu machen. Kleiner hatte er es nicht.  Immerhin sorgte sein Engagement dafür, dass er und 18 andere Winzer dank ministeriellen Erlass die Bezeichnung "Cru Classé" für ihre Weine verwenden durften. Und geschicktes Marketing sorgte dafür, dass die Weine aus der Tibouren im Paris der 30er und 40er Jahre, in den Bistros gut vertreten waren. Die vergilbten Fotos im Weinkeller zeigen die französischen Filmgrößen Jean Gabin, Fernandel oder Raimu mit den typischen Eibonne Flaschen. André Roux starb 1989, seitdem leiten seine Tochter Jacqueline und ihr Mann Emile Mourchou das Weingut. Soweit die Geschichte. Die dank der herrlich altmodischen Etiketten auf den Flaschen bis heute zu spüren ist.


Und die Weine? Tibouren ist zickig, frühreifend, neigt zum Verrieseln, sehr ertragreich - aber krankheitsanfällig. Kurzum, ein Winzeralbtraum, was die Gesamtanbaufläche von nicht einmal 450 ha erklärt. Aber sie ist aromatisch sehr eigenwillig, speziell. Was sich vor allem in den Rosé-Weinen zeigt. Immer da, wo Tibouren in der Assemblage die Hoheit hat, wird es würzig, kräuterig, von Mandeln geprägt. Und auf Clos Eibonne wird man nicht müde, auch Rotweine aus der Tibouren zu keltern. Die Cuvée Tradition Tibouren besteht zu 90% aus der namensgebenden Rebsorte, 10% Grenache ergänzen hier nur. 
Was da aus dem Jahrgang 2015 ins Glas kommt, ist überraschend hell, sieht eher aus wie ein Pinot Noir aus dem Burgund und nicht wie ein Südfranzose. In der Nase duftet es nach Bauernhof, kräftig, erdig, ledrig. In der Mitte kommen nach einiger Zeit noch schwarze Beeren, vor allem schwarze Johannisbeeren dazu. Auf der Zunge fällt beim jungen Wein vor allem das kräftige Tannen auf, da zieht sich der Mund fast zusammen. Das ist kein Extraktmonster, eher fein, mit mittlerem Körper, nichts lautes oder vordergründiges, sehr verschlossen und wenig aussagefreudig. Aber man ahnt - da ist was, da gibt es ein Geheimnis zu erschmecken. Und auch auf die Gefahr komplett daneben zu liegen - ich sage, legt den Wein weg, vergesst ihn für 10 Jahre im Keller. Oder besser 15 Jahre. Um ihn dann bei einer Pinot Noir Probe, als Piraten einzuschmuggeln. Oder noch besser: nehmt die Flasche und setzt Euch damit auf einen Felsen mit Blick aufs Mittelmeer. Und träumt von Seeschlachten, von Piraten, Schätzen und Abenteuern. Ich bin mir sicher: Kapitän Cibon und André Roux würde es gefallen.


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