FRÜHLINGSGEFÜHLE: SILVANER. SPARGEL. LIEBE.


Der inoffizielle bayerische Brauchtumskalender weist bekanntere Ereignisse - zum Beispiel die Wiesn - und unbekanntere - etwa den Fingerhaklstammtisch Waldtrudering-Ost - als wiederkehrende und beachtenswerte Ereignisse aus. Als ein solch notizwürdiges Ereignis der jüngeren Geschichte hat sich das jährliche ‚Spargel liebt Silvaner‘-Treffen etabliert, bei dem die kulinarisch so harmonische Vermählung dieser urbayerischen Erzeugnisse öffentlichkeitswirksam mit einem genussvollen Festakt gefeiert wird. Und den Auftakt zu einer ganzen Reihe von Festivitäten bilden, in deren Sog der bayerische Weinhandel seine Schaufenster mit überdimensionalen Bocksbeuteln und schönen Plakaten dekoriert. 


Ganz besondere Mühe wurde in diesem Jahr bei der Auswahl der Weine verwendet. Über den blosse Kombination von phallischem Gemüse (Spargel) und trockenem Wein (Silvaner) hinaus, wurde versucht die Geschmackswelt des Silvaner zu verdeutlichen. Was - soviel sei vorab verraten - eindrucksvoll gelang. Die gleichfalls beeindruckend Terrine von grünem und weissem Spargel zum halbrohen Thunfisch (siehe Titelbild) geriet zur Nebensache, beim Dreierflight von Harald Brügel


Seine Silvaner vom Fuss des Steigerwalds (‚Pur‘ ab 2009) zeigten das Alterungspotential der Rebsorte. Der 2004er war balsamisch, fast cremig im Mund. Natürlich war er reif, aber eben auf den Punkt. Der Wein bleibt am Gaumen, er spielt mit und neckt die Papillen. Ich fand ihn zum Essen nicht ganz optimal eingesetzt - denn er verliert seine feine Art, vielleicht ist er schon zu schwach für die Geschmacksattacke der Sprossen, die auf der Terrine lagen. Aber Solo wäre er ganz klar die Nummer Eins in diesem Flight gewesen! Der 2009er präsentierte Ginsterblüten, Frische, er wechselte im Minutentakt seine Aromatik. Wenn auch nur mit mittlerem Körper und überraschend wenig mineralischen Noten, hat er mehr Schmelz und tanzt auf Zunge - in perfekter Balance. Mit den Sprossen dreht er richtig auf, wurde immer länger und wilder. Die Senföle in den Sprossen wirkten wie eine Frischzellenkur auf den Wein. Der 2012er war vor allem frisch, knackig, hintenraus noch mit einer Spur Hallenbad vom Schwefel. Sehr kühle Stilistik, die vor allem auf Zitrus beruht, dazu kommt etwas Haselnuss. Die Cremigkeit ist auch hier wieder zu spüren, oder besser zu ahnen. Der Wein steht ganz klar in der Stilistik des Hauses/ Winzers. 



Ein kleines Intermezzo stellte die wundervolle Spargelcremesuppe da. Auch wenn der angekündigte violette Spargel als Einlage entfallen musste - die Qualität der Stangen war dem Koch nicht recht, was ihn wirklich ehrt  - die Suppe war ein schmelziger Traum voller Aroma. Wirklich sehr gut, lieber ‚Alter Hof‘! Daneben geriet der nächste Flight fast ins Hintertreffen. Wie gesagt - fast. Denn Silvaner vom Zehnthof Luckert können vieles, ja fast alles. Nur hintenanstehen können sie nicht. Dafür sind sie zu präzise, zu geschliffen und zu ausdrucksstark. Es gab aus dem Jahr 2015 die drei Farben des Silvaners: Blau, Rot und Grün. Das ist keine neue politische Koalition, sondern sind nur die derzeit anerkannten Spielarten der Rebsorte. 


Der Blaue Silvaner: Mit kühl-staubiger Nase, zurückhaltend in der Art, schlank, mit deutlichen Gerbstoffen. Sein roter Bruder zeigte eine deutliche Aromanase, war fülliger, fast barock. Für mich hat er was von einer Bukettsorte, fast so, als ob da auch ein Traminer in der Ahnenlinie stehen würde. Sehr spannend. Und dann der grüne Silvaner, der bekannteste der drei Brüder. Zeigte sich ausgeglichen, würzig, nussig, und wahrscheinlich deshalb für mich im Moment der Verständlichste, in sich schlüssigste Wein. 


Zum Hauptgang, einer Maispoulardenbrust aus dem Silvanersud mit Morchelsauce auf einem Bett aus gegrilltem grünem Spargel, kamen Weine von Rudolf ‚Rudi' May zum Einsatz. Dass ich für den Menschen und seine Weine in den letzten Monaten eine kleine Passion entwickelt habe, dürfte sich rumgesprochen haben. Warum das nicht ganzen Heerscharen von Weintrinkern so geht, ist mir nach dem folgenden Flight geradezu unverständlich. In Verbindung mit dem Essen entstand eine theaterreife Aufführung, die sich in die Akte Unterwerfung, Harmonie und Dominanz gliedern lässt:

1. Akt: Unterwerfung
Der Silvaner Rothlauf aus 2014 hatte in der Nase ein leicht laktische Note, er braucht mehr als andere Silvaner Zeit und Luft. Im Moment ist er der filigranste der Drei. Solo entwickelt er schönen Druck am Gaumen, er hat auch eine schöne, mineralisch geprägte Würze. Aber Morchel, Sauce (mit spürbarer Süsse) und Maishuhn zwingen ihn in die Knie. 

2. Akt: Harmonie
Der Silvaner Retzstadter Langenberg 2014 scheint für das Essen gemacht. Er ordnet sich viel weniger unter, er stützt wo es notwendig ist (etwa beim Spargel) er wirkt erfrischend wo Fett und Süsse (Maispoularde und Sauce) den Gaumen fordern. Er ist immer da, aber nie vorne oder aufdringlich. Einfach die ideale Essensbegleitung! 

3. Akt: Dominanz 
Auftritt der Rampensau. Silvaner Himmelspfad 2014. Er ist die fette Schnecke im May’schen-Trio, er legt sich mit allen Komponenten des Tellers an, braust über den Spargel hinweg, zieht das Huhn vom Teller. Da wird aus der Morchel - trotz der süßen Sauce - ein regelrechtes ‚Schwammerl‘. Keine Chance dem Saft und dem Druck des Weines zu widerstehen. Und dieser Himmelspfad steht gerade erst am Anfang. Mit gebotener Reife kann ich mir - ausser Schokoladentorte - kaum ein Gericht vorstellen, dass diesem Wein Paroli bieten könnte. Ein Kraftprotz, voller Wucht und Schönheit.




Den abschliessenden Eiswein vom Weingut A & E Rippstein aus Sand am Main zum weissen Schokoladenparfait mit Pistazien, will ich nicht vorenthalten. Auch er ein würdiger Vertreter der Rebsorte Silvaner und da praktisch ohne Botrytis in die Flasche gekommen, von edler Frische und fesselnder Süsse. Nur mit dem kandierten Spargel unter dem Sorbet wusste er nicht wirklich etwas anzufangen. Aber wer wollte, angesichts der formidablen 3x3 Weine im Vorfeld, hier den Stab brechen? Nein, es war ein beglückender Abend. Der nicht zwingend die Liebe von Spargel und Silvaner erneuerte. Aber die Liebe von Scholl zum Silvaner. Und allein das rechtfertigt - ganz subjektiv - den Eintrag in den Brauchtumskalender. 


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