DIE EINMACHEREI: GENUSS IN GROSSEN GLÄSERN


München-Neuhausen, Birkerstrasse 7. Es fühlt sich an wie eine Reise in die Vergangenheit, als ich das Geschäft von Monika Schuster betrete. In der ehemaligen Metzgerei werden Erinnerungen wach an das Regal mit den Weckgläsern in Omas Keller. An Pflaumen, Mirabellen, grüne und gelbe Brechbohnen, Birnen - das alles türmte sich fein säuberlich beschriftet in den Original Weck-Gläsern. In Monikas Einmacherei ist das Angebot etwas raffinierter, neben Gulasch und Rouladen locken Currys, Kuchen und Tomatensugo in edel gestalteten Gläsern in hellen Kühlschränken mit Glastür. Das wohlige Gefühl beim Anblick der eingemachten Vorräte ist aber dasselbe wie damals in Omas Keller.

Vielleicht liegt es ja auch an der Einrichtung des Ladengeschäfts, dass ich mich auf Anhieb in Kindertage zurück versetzt fühle. Als erstes sticht mir ein Tisch ins Auge, groß, stabil, aus Eisen und Holz. "Den hat uns der Vorbesitzer, ein Metzger hiergelassen", sagt Monika. Das gute Stück ist jetzt Schreibtisch, Auslage und Blickfang in einem. Und erinnert immer wieder daran, dass es gar nicht so einfach war einen passenden Raum zu finden. Denn das Konzept, mit handgemachten Glaskonserven ein Geschäft zu betreiben, stiess bei Vermietern auf wenig Gegenliebe. "Die wollten uns alle nicht kochen lassen, wegen der möglichen Geruchsbelästigung". Also suchten Monika und ihre Mitstreiterin Anka Köhler ziemlich lange, bis sie endlich die alte Metzgerei in der Birkerstrasse fanden. 



Ein Vierteljahr haben die Zwei die Räume renoviert, dann konnten sie endlich loslegen. Nichts weniger als "Restaurantküche im Glas" sollte es sein, was da Woche für Woche frisch gekocht in die Gläser wandert. Traditionelle Rezepte, mit bayerischem Einschlag, die leicht an den aktuellen Geschmack angepasst sind. Und an die Bedürfnisse der Konservierung. "Alles 'Grüne'  geht zum Beispiel gar nicht, einfach weil es im Glas braun wird. Und das sieht nicht aus", erklärt Monika. Schließlich ist das Auge ja mit. Glutamat, Hefeextrakt oder Konservierungsstoffe sind ebenfalls ein 'No-Go'. Braucht es auch nicht. Die eingekochten Gläser halten auch ohne Chemie. Genau wie bei Oma im Keller ...

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Die Ladentür geht auf, ein älterer Herr - Typ: Gehobener Dienst, Pensionär - kommt herein. Wie jede Woche kauft er für sich und seine Frau ein. Kartoffelsuppe, Gulaschsuppe, Fischsuppe, zweimal Bolognaise, zweimal Panna Cotta. In der Tasche sind die Gläser der letzten Woche, feinsäuberlich gespült. Monika nimmt die Gläser entgegen, es wird geplauscht, die neuen Gläser werden verstaut. Grüße an die Frau Gemahlin, Wiederschaun, bis nächste Woche.

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Monika hat wie ihre Kollegin Anka eine seriöse Ausbildung als Küchenmeisterin hinter sich, sie weiss also was sie tut. Und etliche Kochbücher hat sie auch schon geschrieben. Ihr geht es um guten, puren Geschmack, den sie möglichst unverfälscht ins Glas bringen will. Das Wildschwein kommt mit Quitte, die Rinderbacke mit Fliederbeeren, dem Gulasch wird mit Zitronenabrieb auf die Sprünge geholfen. Und die Panna Cotta wird mit Zitronengras aromatisiert. Das ist aber auch schon der Gipfel des Ausgefallenen. Rund vierzig Produkte sind im Angebot, viele davon nur saisonal. Das war für viele Kunden im ersten Moment ungewohnt, wir leben in einer Zeit in der alles immer verfügbar ist. Aber die Überzeugungsarbeit funktioniert. Was nicht frisch lieferbar ist, wird eben gerade nicht angebaut. Die Kunden haben sich darauf eingestellt.
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Die Ladentür geht auf, eine junge Mutter kommt herein. Sie sucht den Oktopus. Ist leider aus, nächste Woche wieder. Dann bitte ein Glas zurücklegen, der war so gut. Wird gemacht, bis dann, Servus!

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Monika verfolgt ein ziemlich simples Rezept um die Einmacherei bekannter zu machen. Das Geschäft soll über die Produktqualität laufen, nicht über Marketing. Das ist zwar nicht sehr angesagt in Zeiten von Social Media, aber passt einfach zu ihr, künstliche Aufgeregtheit ist einfach nicht ihr Ding.  Was ich nicht zuletzt daran spüre, dass wir schon seit zwei Stunden über ihr Geschäft, das Leben, guten Kaffee und echten Geschmack reden.
Die Grundzutaten besorgt sie soweit möglich in der Region, das Fleisch etwa kommt von einem Metzger aus Waldkraiburg. Einfach weil er den besten Geschmack liefert, sagt Monika. Beim Gemüse versucht sie jetzt auch mit Selbstanbau die gewünschte Qualität zu bekommen. In Leihbeeten zieht sie Rote Beete, Karotten, Kürbis. Immer auf der Suche nach dem unverfälschten Geschmack. Und irgendwann findet sie auch noch Bio-Hühner die so schmecken, wie sie sich das vorstellt. 



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Die Ladentür geht auf, eine alte Dame kommt herein. Etwas unsicher wirkt sie, fragt vorsichtig nach Kalbsrahmgulasch. Ist wieder da, gerade die Woche eingekocht. Gläser werden ausgetauscht, wunderbar, dann bis nächste Woche. Wiederschauen und schönes Wochenende! 

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Was mir die Monikas Gläser so sympathisch macht - neben dem Oma Feeling - ist der authentische Geschmack. Ich liebe ihre Suppenbrühe. Mit Fettdeckel. Pur. Nur heiss gemacht, vielleicht ein paar dünne Nudeln dazu - that's it! Es schmeckt nach Rind, nach Gemüse, es ist herzhaft und fein. Und eigentlich viel zu gut, um nur als Basis für eine Suppe zu dienen. 
Ich weiss, dass meine Oma ihre Freude daran hätte.






 

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